Samstag, 27. September 2008

Ostanatolien - georgische Taeler, armenische Kirchen, rauhes Kurdistan

Von Ayder aus geht es über das Kackar-Gebirge hinüber nach Yusufeli. Bis Hopa fahren wir auf der Küstenautobahn - bei Regen! Ab Artvin scheint wieder die Sonne und der Fahrtwind trocknet unsere Kleidung. Ab hier folgen wir über viele Kilometer einem wunderschönen Tal - waere da nicht das Staudammprojekt GAP. İn einigen Jahren soll der Coruh in diesem und einigen weiteren Taeler aufgestaut, Dörfer wie Yusufeli verlegt und Sehenswürdigkeiten (wie die armenischen Kirchen) aufgegeben werden. Bei Artvin entsteht zur Zeit eine Staumauer mit Wehr, und oberhalb am Hang wird Meter für Meter die neue Strasse in den Fels getrieben. İmmer wieder müssen wir anhalten, damit die Bagger den Schutt von der Strasse raeumen können. Wer glaubt, die Bauarbeiter mit der roten Fahne auf beiden Seiten seien per Funk verbunden, der irrt. Die Weiterfahrt beginnt quasi auf gut Glück! Es ist ein Projekt von gigantischem Ausmass und es zerstört eine wunderschöne Landschaft. Yusufeli z.B., ist heute eine lebendige Kleinstadt, die von Rafting- und Trekkingtouristen lebt. İn Zukunft wird man wohl Tauchgaenge zur versunkenen Satdt anbieten müssen.



Und auch heute haelt die Landschaft wieder unzaehlige Fotomotive für uns bereit. Auf der Weiterfahrt nach Kars besuchen wir die Ruinen zweier armenischer Kirchen. Dieser faszinierende Landstrich mit seinen tief eingeschnittenen Taelern, gehörte früher einmal zu Georgien.







Kurz vor Kars erreichen wir eine karge Hochebene. Ein phantastischer Anblick! Hier sehen wir zum ersten Mal grössere Herden Viehs weiden. Das Land ist karg, braun und unendlich weit. Die Menschen leben in niedrigen Steinhaeusern mit Lehmdach, kaum hoch genug, um darin stehen zu können. İm Hof bergeweise Heu, Stapel von Torfziegeln und getrockneter Kuhdung zum Heizen. Abends werden die grossen Herden zurück ins Dorf getrieben und wir sind mitten darin. Über 60 km fahren wir durch diese Steppe fast stur geradeaus, immer noch mehr Weiden vor Augen. Unglaublich, wie schön eine solch karge Landschaft sein kann!

İn Kars wohnen wir direkt im Marktviertel und erleben schon frühmorgens das emsige Treiben der Haendler. Hier wird alles verkauft: Haushaltwaren, Lebensmittel, Eisenwaren, lebendige Tiere, Kleidung, ... Minibusse bringen die Menschen aus den umliegenden Dörfern in die Stadt. Dann wird eingekauft. Gegen 15 Uhr werden die Busse mit den Einkaeufen beladen (Kinderbetten, Sofas, Gemüse, Mehl, Baumaterial, usw.) und es geht wieder heimwaerts.






Auch Kinderarbeit ist verbreitet. Die Jungen laufen mit Schubkarren umher und schaffen entweder den Müll der Haendler weg, oder transportieren die Einkaeufe der Kunden zum Minibus. Der Müll, der übrig bleibt, wird abends am Strassenrand vebrannt.




Natürlich besuchen wir auch die ehemalige Hauptstadt Armeniens - Ani. Heute sind von der einst so praechtigen Stadt an der Seidenstrasse aufgrund mehrerer Erdbeben nur noch die Ruinen einiger Kirchen übrig. Das Areal ist riesig, fast drei Stunden wandern wir herum. Auf der anderen Seite des Flusses liegt Armenien, so nah und doch so fern, denn die Grenze zur Türkei ist aus politischen Gründen geschlossen.



Eigentlich wollen wir am naechsten Tag bis Van fahren, aber das Wetter macht uns einen dicken Strich durch die Rechnung. Wir erleben unseren ersten Regentag und finden es gar nicht toll. Aber wir wollen nicht meckern, wir sind ja bisher ziemlich verwöhnt worden. İn einem Ort namens Patnos suchen wir eine Bleibe. Bei der Hotelsuche haben wir wieder einmal nur freundliche Leute getroffen. Und das laeuft so: İrgendjemanden auf der Strasse nach "Otel" oder "Pansiyon" fragen. Der Angesprochene beginnt auf türkisch zu erklaeren und wir verstehen natürlich nichts. Also laeuft er voraus und übernimmt die Herbergssuche, als sei er persönlich dafür verantwortlich, dass wir auch gut unterkommen. Heute dauert die ganze Prozedur ca. 1,5 Std. und insgesamt sind ca. 8 Helfer am Werk. Schliesslich haben wir zwei Zimmer, einfach aber sauber und für nur 16,50 EUR alles zusammen ! Als wir spaeter im Internertcafe nach einem Restaurant fragen, geht das Ganze von vorne los. So haben wir heute mit den Maennern des Ortes das Fastenbrechen zelebriert, sassen also bis zu dem vom Muezzin verkündeten genauen Zeitpunkt vor dem dampfenden Teller, um dann alle gleichzeitig loszulegen. Guten Appetit! Afiet olsun!



Am zweiten Abend laedt uns Bülent, der Veterinaer, nach dem Essen auf einen Kaffee in seine Klinik-Apotheke ein.



Am naechsten Tag strahlt wieder die Sonne vom herbstlich kühlen Himmel. Über den Van Gölü, den Van See, fahren wir direkt nach Dogubayazit. Wir haben Glück und bekommen den Ararat in voller Schönheit vor die Linse.



Gott sei Dank haben wir unsere Plaene ob des schönen Wetteres nicht geaendert, denn das Ende des Ramadan wird hier nicht erst am 1.10. sondern schon am 30.09. gefeiert (9 Tage bleiben Banken und Wechselstuben geschlossen). Wir schaffen es gerade noch vor Ladenschluss Geld für den İran zu wechseln. Dort gibt es keine Geldautomaten und wir müssen uns mit Euro und Dollar eindecken.

Unsere Motorraeder schlafen ebenso luxuriös, wie wir - in der Hotellobby!



Iyi bayram! Frohes Fest! Das Fasten ist geschafft. Die Kinder laufen von Haus zu Haus und bitten um Süssigkeiten, auf den Strassen werden die Dönerbuden wieder in Gang gesetzt und alle sind geschniegelt und gestriegelt unterwegs zur Verwandschaft - zum Essen. An unserem letzten Tag laufen wir hinauf zum 6 km entfernten Ishakpasha-Palast. Auf dem Weg haben wir nochmal gute Sicht auf den Ararat (5137 m). Der Palast ist wegen Restaurationsarbeiten geschlossen. Das macht aber nichts, viel zu sehen gaebe es sowieso nicht, seine Lage ist das Schöne.



Morgen werden wir uns von hier verabschieden und in den İran hinüberfahren. Wir sind schon sehr gespannt, welche Erlebnisse uns dort erwarten!

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Liebe Annette,
eure perfekte Fotoreportage ist ein wunderbarer Ausgleich zum Schulalltag (mit seinen üblichen Zeit- und Abstimmungsfallen). Es macht viel Vergnügen, euch in Gedanken zu begleiten! Möge es euch auf iranischen Boden ebenso gut wie in der Türkei gehen!
Liebe Grüße von Hilke

Anonym hat gesagt…

Liebe Annette,
schön, dass es euch gut geht! Ich lese eure Berichte mit großem Interesse - und nehme an, dein Abstand zur Schule wird nicht nur km-mäßig zunehmend größer ...?
Genieße auch das!!
Ganz liebe Grüße,
viele positive Erlebnisse weiterhin!
Ingrid H.

Anonym hat gesagt…

Hoi,
schöne Grüsse aus der CH, ich freue mich immer wieder aufs neue von euch etwas zu hören.
Wir haben euch am Wochenende beim Holzmachen recht vermisst, mussten alles alleine buckeln, bei Schnee, Sonne und Bier.
Grüsse von der Pletzach
Kilian, Jakob & Walter